Friday, March 1, 2019

Grossoffensive von Scientology mit dem neuen Superzentrum in Basel

Ein Gastbeitrag des Zürcher Sektenexperten Hugo Stamm, Reporter beim "Tages-Anzeiger", zusammen mit barfi

Gestern Abend hat die Scientology Kirche Basel an der Burgfelderstrasse 215 in Basel zu einer Grillparty eingeladen. Gefeiert wurde der "Internationale Freundschaftstag", und auch barfi.ch war dabei. Zu den Hintergründen dieser Aktion und wie das Auftreten der neu anerkannten "religiösen Gemeinschaft" zu deuten ist, gibt der Zürcher Sektenexperte Hugo Stamm Auskunft.

Wir sind zu zweit, als wir den grossen Empfangs- und Ausstellungsraum des Scientology-Gebäudes im Iselinquartier betreten, rechnen fest damit, dass wir bestürmt werden, sobald wir den Fuss über die marmorne Schwelle setzen. Dem ist aber nicht so – man begrüsst freundlich, lässt uns dann aber in Ruhe die Ausstellung zum "internationalen Freundschaftstag" im Eingangsbereich entdecken. Zu Beginn spricht man nur, wenn wir Fragen richten an einen der zunächst etwa 8, später dann etwa 20 Anwesenden durch ihre einheitliche Kleidung in schwarz/weiss deutlich erkennbaren Scientologen. Kein aufdringliches Verhör, keine unangenehme Annäherung. Überhaupt gibt man sich auf Seiten von Scientology an diesem Abend sehr zurückhaltend und scheinbar offen: Bei Interesse wird eine Führung durchs Haus angeboten, es wird erzählt von den Tätigkeiten der "ehrenamtlichen Mitarbeiter" und die Scientologen erteilen freimütig Auskunft über Mitgliederzahlen.

Doch rasch wird klar: Hinter dieser demonstrierten Offenheit nach Aussen und der anscheinenden Harmlosigkeit des an diesem Abend verhandelten Themas "Der Weg zum Glücklichsein" steckt Berechnung und Strategie. Die Sekte muss dringend neue Mitglieder anwerben und versucht mit diesem Verhalten, die Einstiegsschwelle so niedrig wie möglich zu setzen. Durch die vordergründige Unverfänglichkeit der Botschaft, die hier verkündet wird, sollen Leichtgläubige davon überzeugt werden, dass Scientology mit seinem Programm so falsch nicht liegen kann. 

Die Strategie in Basel: vordergründige Transparenz und Harmlosigkeit
Die Ansage, die an diesem Abend beim sogenannten Friedens-Barbecue über diverse Bildschirme flimmert und nach dem Essen (Grilladen, Süssgetränke, kein Alkohol) an einem einstündigen Kurs vertieft wird, ist universell. Keine vernünftige und mitfühlende Person kann sich ihr verwehren. Es handelt sich um basale Erkenntnisse darüber, dass ein tugendhaftes Leben ein besseres Leben sei. Wir werden dabei immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Inhalten um nicht-religiöse handle. Angst vor Missionierung ist also nicht angebracht – so jedenfalls der Eindruck, der uns vermittelt werden soll. Dazu kommt, dass die anwesenden Damen und Herren von Scientology sehr freundlich und freimütig auf all unsere Fragen antworten. Etwa 500 Mitglieder zähle die Scientology Kirche in Basel. Wir schätzen die Anzahl, wie unten ausgeführt, tiefer ein. 70 davon seien als ehrenamtliche Mitarbeiter aktiv, oftmals in einer Teilzeitbeschäftigung, obwohl man sich ganz klar davon distanziere, dies eine Anstellung zu nennen. Auch wäre der Lohn eher gering, man brauche einen Nebenjob, um über die Runden zu kommen. Es sei aber so, dass die Bezahlung steige, wenn die Betreffenden mehr Kursteilnahmen verkaufen können. Fast entwaffnend, diese Ehrlichkeit.

Wie sehr dies alles aber dennoch pure Strategie ist, um Hemmungen und Vorurteile auf Seiten potenzieller neuer Mitglieder abzubauen, wird spätestens beim Gang durch das Scientology-Gebäude klar. Praktisch alle Räume dienen Kurs-Zwecken. Hier fänden Weiterbildungen statt, die die Teilnehmer zu einem glücklicheren Leben führen sollen, wird uns erklärt. Der Aufbau ist meist derselbe: Es wird eine intensive Konfrontation zweier Personen inszeniert, die beiden Sitzgelegenheiten einander gegenüber gestellt. Ausbilder und Auszubildender werden auf eine Art platziert, die kein Ausweichen zulässt. Ein weiterer Raum, in dem vier Reihen von jeweils fünf Stühlen mit einem Abstand von etwa 50 cm einander gegenüber angeordnet sind, lässt eine Vorstellung davon zu, wie konfrontativ diese "Kommunikationskurse" ausfallen können.

Schwer wiegt die Erkenntnis, dass wirklich alle Räume, die wir zu Gesicht bekommen, Ausbildungszwecken dienen: Kursräume, Auditing-Kammern und Bibliotheken mit den dazugehörigen Kursunterlagen. Hier werden Leistungen und Produkte verkauft. Es geht um Umsatz – und zwar in jedem einzelnen Zimmer dieses grossen Hauses. Trotz Gratis-Wurst und Brot wird klar, dass diese vordergründige Ehrlichkeit im Umgang mit uns und vor allem die Feel-Good-Message, die verkündet wird, nur einem dient: dem Abbau von nicht ohne Grund bestehenden Vorurteilen und Ängsten, um eine spätere Rekrutierung zu ermöglichen. Spätestens dann aber ändert sich die Strategie der Scientology Kirche: Es werden Abhängigkeiten geschaffen, Druck ausgeübt und Verbindlichkeiten eingeführt. Was von den Scientologen auch an diesem doch so harmlos angebotenen Barbecue-Abend als ihr Glaube bezeichnet wird, ist letztlich vor allem eines: Eine emotionslose und berechnende Umsatzmaschinerie.

Die Präsenz von Scientology in Basel und die Suche nach "rohem Fleisch"
Zu den Hintergründen dieser Aktion und wie das Auftreten der im Kanton Basel neu anerkannten "religiösen Gemeinschaft" zu deuten ist, Informationen des Zürcher Sektenexperten Hugo Stamm:

Scientology und Basel haben eine lange und schwierige Beziehung. Die aggressive Strassenmission der Scientologen führte schon vor rund 20 Jahren zu heftigen Debatten, auch im Grossen Rat. Die Auseinandersetzung löste ein politisches Erdbeben aus, das zu einem einmaligen Gesetz führte. Dieses stellt aggressive Missionstätigkeit im öffentlichen Raum unter Strafe. Basel zeigte der Sekte als einzige Stadt in der Schweiz die Stirn.

Und nun beherbergt ausgerechnet Basel die erste so genannte "ideale Org", quasi ein scientologisches Musterzentrum. Mitte April wurde dieses an der Burgfelderstrasse 215 im Iselinquartier eröffnet. Ein Prunkbau, der 4600 Quadratmeter umfasst. Und eigentlich viel zu gross ist für die kleine Basler Scientology-Truppe. Wie gross sie wirklich ist, weiss niemand so genau. Das Scientology-Kader spricht von 5500 aktiven Mitgliedern in der Schweiz. Das ist eine Fantasiezahl. Landesweit sind es vielleicht 1000 Anhänger. Vielleicht auch ein paar mehr. Basel zählt etwa 200 Mitglieder. Nimmt man die Umgebung dazu, vielleicht 300. Doch der Luxustempel ist nicht primär für sie gemacht. Sie würden sich darin verlieren. Das neue Zentrum soll mit "raw meat", rohem Fleisch, gefüllt werden, wie es im Scientology-Jargon heisst. Also mit Noch-Nicht-Scientologen.

Der falsche Glanz der "Ideal Org" und deren Ziele
Wie kam es zu dieser "Ideal Org" in Basel? 2004 verkündete der amerikanische Sektenboss David Miscavige, dass bis 2010 alle grösseren Zentren weltweit massiv aufrüsten müssen. Der Sinn der neuen Luxustempel erklärte er so: "Diese Idealen Kirchen sind eine Verkörperung des Wissensschatzes von L. Ron Hubbard und dafür entworfen, ihren Mitgliedern und der Gemeinde den vollen Umfang der Scientology-Dienste zur Verfügung zu stellen." Hubbard ist der Gründer von Scientology. Er starb 1986.

Die Expansionsstrategie hatte allerdings einen grossen Haken: Die Scientologen mussten die neuen Zentren selbst finanzieren. Obwohl die Mutterkirche in den USA auf Milliarden sitzt, beteiligte sie sich nicht.

In den Scientology-"Kirchen" begannen weltweit Spendenaktionen. Mitarbeiter beknieten Sektenanhänger bei jeder Gelegenheit, Geld zu spenden. Diese wurden mit Videos, Mails und Einladungen zu Sponsorenevents überhäuft. In einem internen PR-Video beschwört eine Scientologin die Mitglieder: "Wenn du in eine Ideal Org investierst, investierst du in deine eigene Ewigkeit. Ideal Orgs retten den Planeten."

Die Superzentren sollten auch darüber hinwegtäuschen, dass die Blütezeit von Scientology vorbei ist. Der Sektenboss wollte nach innen und aussen demonstrieren, dass es wieder rasant aufwärts gehe. Deshalb brauchte es neue grosse Zentren. Mit der Aktion sollten auch die Skandale überdeckt werden, die Scientology zu verdauen hatte: Langjährige Kaderleute aus der Hauptzentrale hatten die Sekte verlassen und die Machenschaften in Fernsehinterviews und Büchern aufgedeckt. Sie berichteten von Unterdrückung, Ausbeutung und Strafaktionen.

Scientology im Iselinquartier: Der Kampf um Erfolg und Ansehen
Basel hat nun die dritte "Ideal Org" Europas. Und Basel hat den Prestigekampf gegen die Zürcher "Kirche" gewonnen. Der Grund: Gleich mehrere Scientologen aus Basel und Umgebung sind im Immobilienhandel tätig. Der Basler Scientology-Präsident Patrick Schnidrig und der Scientologe Heinrich Renggli kauften Anfang 2011 das 4000 Quadratmeter grosse Grundstück im Iselinquartier. Schnidrig gehört die Burgfelder Immobilien AG, Heinrich Renggli die Estaniola Immobilien GmbH.

Auf dem Grundstück stehen zwei Bürogebäude, eine Werkstatt, eine Tankstelle, ein Wohnhaus und eine Transformatorenstation. Allein der Boden wird auf 5,5 Millionen Franken geschätzt. Als Unterstützer und Spender traten auch Rudolf Flösser, Leitender Direktor von Scientology Basel, auf, der mit seiner Treuhandfirma Wohnhäuser kauft und Mietwohnungen in Stockwerkeigentum umwandelt. Beteiligt sind auch Swiss Immo Trust AG und die Welcome Home Immobilien. Es ist davon auszugehen, dass Schnidrig und Renggli den Basler Scientologen das Gebäude zu günstigen Konditionen überlassen haben. Der Umbau des neuen Zentrums wird auf rund fünf Millionen Franken geschätzt, den die Scientologen aufbringen mussten.

Arbeiten für Scientology als unentgeltliche Lebensverpflichtung
Kurz vor der Eröffnung des neuen Zentrums mussten die Scientologen eine weitere Hürde nehmen. Die Mutterkirche aus den USA schreibt vor, dass es rund 130 Mitarbeiter braucht, um den Status "Ideal Org" zu erreichen. Krampfhaft wurden Kandidaten in der ganzen Schweiz und im nahen Ausland gesucht.

Für Scientology zu arbeiten, ist ein schweres Los. Schon fast ein Martyrium. Es wird voller Einsatz gefordert. 50, 60 und mehr Stunden pro Woche sind keine Seltenheit. Der Leistungsdruck ist enorm. Jeder Arbeitsgang wird in eine Statistik eingetragen. Jede Woche gibt es eine Kontrolle. Stagnieren die Werte oder gehen sie gar zurück, setzt es Rügen ab. Sinken die Statistiken über mehrere Wochen, gibt es eine Untersuchung und allenfalls Sanktionen. Diese können zu einer Reduktion des Salärs führen.

Doch was heisst Salär? Der Wochenlohn ist lediglich ein kleineres Taschengeld. Er beträgt in der Regel ca. 50 Franken. Es ist für eine "Kirche" zynisch, dieses zu kürzen. Es zwingt die Mitarbeiter, einen Nebenjob an ihrem freien Tag auszuüben, um einigermassen überleben zu können. Viele Mitarbeiter werden von ihren Ehepartnern unterstützt, die einem normalen Erwerb nachgehen.

Geködert werden die Scientologen mit einem fragwürdigen System: Die Mitarbeiter bekommen die teuren Kurse und Beratungen (Auditing) gratis. Eine Stunde Auditing in den höheren Stufen kostet mehrere hundert Franken. Als Mitarbeiter kommen sie in der Ausbildung schneller voran, als wenn sie diese mit dem Ersparten kaufen müssten. Doch sie müssen einen Arbeitsvertrag unterschreiben, der meist über fünf Jahre läuft. Müssen sie den Job bei Scientology aufgeben, weil sie finanziell am Ende sind oder überschuldet, bekommen sie eine so genannte Freeloader-Bill: Sie müssen einen Teil der Kursgebühren zurückzahlen. Das kann schnell in die Zehntausende gehen.

Die niederschwellige Anwerbung Arg- und Ahnungsloser
Die negativen Medienberichte und die Proteste der Anwohner vor und bei der Eröffnung des neuen Zentrums setzen Scientology massiv zu. Sie hatten gehofft, mit viel Schwung neue Kunden anlocken zu können. Denn ohne neues "raw meat" ist ihre "Ideal Org" nicht überlebensfähig. Die Basler Scientologen sind wegen der Finanzierung des Zentrums ziemlich ausgebrannt und die Unterhaltskosten sind gross. Doch die Basler Bevölkerung ist durch die Berichte sensibilisiert. Deshalb dürfte es schwierig sein, Ahnungslose zu ködern.

Dies tun sie meist mit einem Persönlichkeitstest, den Passanten ausfüllen sollen. Das Resultat ist oft ernüchternd. Sie hätten grosse Defizite, wird den Geköderten mitgeteilt. Als Rezept dagegen werden Kurse angeboten, die Probleme beheben sollen. Die Einsteigerkurse sind günstig. Doch sie enthalten bereits Indoktrinationsmethoden, die rasch in die Abhängigkeit führen können.

Versprochen werden den Geköderten wahre Wunder. Durch die Kurse lerne man seine Schwächen überwinden, werde erfolgreich, der IQ steige, man werde glücklich und könne letztlich die Unsterblichkeit erlangen.

Scientology führt oft auch Standaktionen durch, um Passanten leichter ansprechen zu können. Sie demonstrieren ihnen ihr angebliches Wundergerät, das Hubbard-Elektrometer. Damit können überraschende Effekte erzielt werden, die die Passanten staunen lassen. Was diese nicht wissen: Das Gerät ist eine Art Lügendetektor.

Manchmal haben die Scientologen Massagetische dabei und demonstrieren die "Touch Assists". Mit diesen sollen körperliche Gebrechen geheilt werden können. Oft sind die Sektenanhänger auch mit ihren Unterorganisationen auf der Strasse. Diese werben für die Menschenrechte oder kämpfen gegen den Drogenmissbrauch. Das Ziel ist aber immer, mit den Passanten ins Gespräch zu kommen und sie für Scientology zu interessieren oder anzuwerben.

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